Ströme in der Wüste

Es ist April. Die ersten Frühlingsstrahlen bescheren uns warme Tage und meine Familie und ich freuen uns über die Osterferien. Endlich durchatmen. Endlich freie Zeit zum Lesen und Denken und Schreiben. Ruhige Tage nach verrückten Monaten. Das erste Quartal hat uns als Familie und als gebetsraum in Bremen viel abverlangt. Wenn wir zurückblicken, ist es fast schon überwältigend, was Gott uns zugemutet und wofür er uns gebraucht hat. Und einmal mehr steht für mich das Zwischenfazit fest: Die Kraft für die Herausforderungen des Lebens schöpfen wir aus der Hingabe an Gott in Stille und Gebet.

Anfang Dezember hatte ich mich persönlich erneut zu kontemplativen Exerzitien entschlossen, wohl wissend, dass das neue Jahr besondere Herausforderungen für uns bereit halten würde. Auch als Gebetsraumgemeinschaft wollten wir uns vorbereiten und begehen seit Beginn des Jahres jeden Monat mit einer gemeinsamen Fastenwoche. Uns ist klar: Wer etwas weiterzugeben sucht, tut gut daran, sich regelmäßig füllen zu lassen. Wieviel mehr gilt dies im geistlichen Dienst! Diesen „Input“ suchen wir nicht in Methoden und Strukturen – so hilfreich sie mitunter sein können – sondern in der Gemeinschaft mit Gott. Nichts verändert, stärkt, erfüllt und erfreut so sehr wie seine Gegenwart. Autorität geschieht durch Intimität. Deswegen machen wir es zu unser dringlichsten Aufgabe, ihn immer wieder neu zu suchen. Mitunter gleichen diese Zeiten der Gottes-Suche (persönlich und in Gemeinschaft) den Wüstenzeiten aus Hosea 2, 16+17: „Siehe, ich werde sie locken und sie in die Wüste führen und ihr zu Herzen reden. Dann gebe ich ihr von dort aus ihre Weinberge und das Tal Achor als Tor der Hoffnung.“  Wüstenzeiten sind nicht nur die Krisenzeiten unseres Lebens sondern können auch Zeiten des bewussten Rückzugs sein, der Ausrichtung auf das Wesentliche, fernab allen Trubels und abseits des Scheinwerferlichtes. Was wir brauchen, ist nicht der Lärm der Konferenzen und Seminare, sondern die heilige Stille des Kämmerleins.

Wer gelernt hat, die Blicke und die Stimme des Einen wahrzunehmen, kann auch mit den Blicken und Stimmen der Vielen umgehen.

Es ist wunderbar, dass uns die von Gott eingegebene Sehnsucht treibt, ihn zu suchen, doch nicht immer gestaltet sich diese Suche einfach und leicht. So oft scheint im Gebet nichts zu „passieren“ , unser Rufen ohne Antwort zu bleiben und nichts „herauszukommen“ bei unserer Bibelmeditation. Zeit in der Nähe Gottes scheint so verschwendet zu sein. Und doch halten wir fest an der Überzeugung, dass uns das Anschauen der Herrlichkeit Christi nachhaltig verändert (2. Kor. 3, 18) und dass unser Gott in der Wüste zu unseren Herzen spricht und von dort aus die Ströme hervorquellen lässt, nach denen wir uns alle sehnen (Jes. 41, 18).

Und tatsächlich hat uns Gott als gebetsraum ganz besondere Herausforderungen „vor die Nase“ gesetzt und ich bin überzeugt davon, dass er uns benutzen möchte, um Ströme lebendigen Wassers für Andere freizusetzen.

Wozu uns Gott in den letzten Monaten beauftragt hat, spielt sich vor dem Hintergrund ab, dass sich die geistliche Atmosphäre Bremens in den letzten Jahren spürbar verändert hat. Der Boden ist mehr und und mehr vorbereitet und gepflügt worden. Vieles hat hierzu beitragen und auch der gebetsraum hatte seinen Anteil daran (auch wenn es letztlich nicht darum geht!): Das Bewusstsein für Einheit und Erneuerung unserer Kirchen und Gemeinden (Gebetsinitiativen) ist ebenso erstarkt wie die Liebe zu Erweckung und Evangelisation (The Turning). Und so durften wir neue Schritte wagen im Vertrauen darauf, Gottes kairos nicht zu verpassen. Im Januar ermutigten wir fast 80 Teilnehmer an einem Seminartag mit Babett Müller (IHOP) zum Singen der Bibel und trainierten sie im Harp&Bowl-Modell. Die zweite Bremer Gebetskonferenz NORDLICHT mit Suzette Hattingh (Voice in the City) vernetzte viele Beter aus der Region und gab uns konkrete Hausaufgaben für die Gebetsarbeit in unserer Stadt. Im Anschluss daran startete unsere Gebetsschule, die 20 Teilnehmer zu einem Lebensstil des Fastens und Betens anleitet. Und wiederholt werden wir zu Lehr- und Seminarangebote rund um das Thema Gebet eingeladen. Dies zeigt uns: Unter Christen keimt ein neuer Hunger nach geistlichem Leben auf. In Zeiten methodischer Exzellenz und informationeller Sattheit sehnen sich Menschen nach der Ursprünglichkeit und Radikalität der einfachen Jesusliebe.

Es genügt nicht mehr, nur über Gott Bescheid zu wissen, sondern es ist der Moment gekommen, ihn zu erkennen und sich ihm vorbehaltlos auszuliefern.

All in. Das betrifft gleichermaßen Gedanken, Kraft, Geld, Vertrauen und meine theologischen Vorstellungen über Gott. Ich muss bereit sein. Gewohntes zu verlassen und Liebgewonnenes aufzugeben. Wir sehnen uns nach neuem Wein, sind oft jedoch nicht bereit, die alten Schläuche einzutauschen. Dabei vergessen wir: Glaube lebt niemals aus der Erinnerung, sondern bewährt sich im Heute. Es ist so wichtig für uns, heute Gott neu zu begegnen und seine Stimme jetzt zu hören und uns nicht zu ernähren vom Manna vergangener Tage. Deswegen ist Gottes Lockruf in die Wüste gleichzeitig ein Weckruf an eine satte Kirche: Verlasse die Fleischtöpfe und kultiviere den Hunger! Pflege dein Verlangen nach mir! Komm zu mir in die Wüste und entleere dich, damit ich dich neu füllen kann!

Unsere Erfahrungen der letzten Monate zeigen: Wo wir diesem Ruf folgen, kann Neues entstehen. Die Auferstehung christlichen Lebens beginnt nicht auf Seminaren und den großen Bühnen, sondern auf den Knien und im Angesicht Gottes. Das mag mitunter als eine Wüstenzeit anmuten, führt aber zu den Strömen, die Gott verheißt.

 

Bild von David Mark auf Pixabay

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