Und jetzt? Glauben nach Corona

Wir erleben eine Zeitenwende. Die Veränderungen sind unübersehbar und mich beschäftigt die Frage: Wie hat sich mein Glaube in den letzten Wochen verändert und welche Auswirkungen hat die Krise auf die Gemeinschaft der Christen und die Zukunft der Kirche?

 

Viele haben die Krise als Chance begriffen und bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Aber kann der Leib Christi tatsächlich gestärkt in die Nach-Corona-Zeit gehen? Ich möchte drei Bereiche genauer unter die Lupe nehmen, in denen entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt worden sind oder eben nicht.

1. Der Glaube in den eigenen vier Wänden

Wir alle sind um eine Erfahrung reicher: Christsein hat mit mir zu tun. Es fängt bei mir an. Jeden Tag neu. Tatsächlich. Glauben kann mir niemand abnehmen. Nicht der Pastor, der Kleingruppenleiter, der Ehepartner oder die soziale Gemeinschaft meiner Kirche. Das war schon immer so, nur merken wir es in diesen Zeiten besonders deutlich. Mit einem mal ist es wirklich relevant, ob ich eine Glaubens- und Frömmigkeitskultur für mich und meine Familie entwickelt habe oder nicht. Mündigkeit ist gefragt, eine eigene Routine möchte entwickelt und geprüft werden, und es zeigt sich:

Wer beizeiten einen tiefen Brunnen gegraben hat, sieht sich nun in der Lage, daraus zu schöpfen.

Oder um es mit Rilke zu sagen: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.“ (aus: Herbsttag) Wer nicht gelernt hat, die Stille inmitten des lauten Alltags der Familie zu kultivieren, wird Schwierigkeiten haben, es jetzt zu tun. Die Verlagerung der Ortsgemeinde vom Raum ins Netz offenbart einmal mehr, was offensichtlich war: Glauben kann mir keiner abnehmen. Er ist und bleibt persönliche Entscheidung und Leidenschaft ungeachtet der Tipps und Hilfen meiner Gemeinde. Glauben lassen geht nun einmal nicht. Bibelstudium und Gebet kann keiner für mich tun, Wurzeln schlagen kann ich nur selbst. Die Schlacht meiner Gedanken in Zeiten von Langeweile und Ablenkung während des Lockdowns muss ich selbst schlagen. „Du kämpfst meine Kämpfe?“ In diesem Fall leider nicht.

2. Die virtuelle Kirche

Der anfängliche Hype ist verflogen. Berauscht von der eigenen Erfolgsgeschichte, binnen kurzer Zeit Gottesdienste ins Netz zu verlagern, ist Ernüchterung eingekehrt. Ganz bestimmt ist es viel einfacher, „echte“ Gottesdienste vorzubereiten, ganz abgesehen von der sozialen Komponente einer Gottesdienst-Gemeinschaft. Kirche ist mehr als das einstündige Programm am Sonntag. Zudem befriedigt die Livestream- Kultur prächtig die Bedürfnisse unserer Konsumgesellschaft nach Entertainment. Kirche kann neuerdings einfach weggezappt werden. Zudem berührt sie mich auf derselben emotionalen Ebene wie Netflix und Co., weil ich mit denselben Sinnen wahrnehme und es leichter Berieselung bleibt statt zum Erlebnis zu werden. Die Kirche im Kasten bleibt indirekt und unnahbar und muss sich inmitten der Vielzahl alternativer christlicher und nichtchristlicher Onlineangebote behaupten. Wer sucht, der findet immer etwas Besseres, Begeisterndes, Schickeres, Geistlicheres…. Deswegen offenbart die Virtualisierung der Kirche nicht nur die Chancen globaler Verkündigung sondern auch die Notwendigkeit von Beziehungen und Nähe.

3. Übergemeindliche Vernetzung

Und trotzdem blüht die Corona-Wüste. Eine Frucht sind übergemeindliche Angebote, die zu gemeinsamen Gebet und Mission aufrufen, z.B. Gemeinsam vor Pfingsten, Deutschland betet gemeinsam u.a. Christen finden sich über Gemeindegrenzen hinweg im großen und kleinen Stil. Auch in unserer Stadt. Das Bewusstsein, ein Leib zu sein, wächst.

Wer Zeit mit Geschwistern vor dem Angesicht Gottes verbringt, dem fällt es schwer, anschließend abschätzig über sie zu denken oder sie zu verurteilen.

Die Krise beweist: Die Zeit einzelner geistlicher Hoheitsansprüche ist vorbei. Kirche Jesu Christi ist überall dort, wo Menschen Jesus lieben und ihn als Gott verkündigen. Das Christentum unserer Zeit kann es sich einfach nicht mehr leisten, nur auf sich und die eigene Herde zu schauen. In Zeiten von Verunsicherung und Bedrängnis weitet sich der Blick für die Schönheit der einen Braut Christi. Doch es muss weitergehen. Deshalb äußere ich drei Wünsche für die Kirche der Zukunft.

3 persönliche Wünsche

1. Nicht zum Status Quo zurückkehren! Stattdessen möge sich die Kirche ihre in der Krise bewiesene Flexibilität bewahren. Unter allen Umständen ist die Rückkehr zum konsumorientierten „All inclusive-Programm“ der Kirche zu vermeiden. Stattdessen sind Kleingruppen, Hauszellen und Mentoringbeziehungen zu stärken und das Vertrauen in junge wie erfahrene Leiter zu setzen, durch solche Arbeit der Gemeinde insgesamt zu helfen. Ein kirchlicher Leib besteht aus lebendigen Zellen. Deswegen sollte Zellwachstum und -Vitalität angestrebt werden. Dies geschieht vor allem auf der Beziehungsebene, die geistlich gestaltet wird.

2. Weniger mehr sein lassen! Corona hat uns ein neues Bewusstsein für Stille, Einsamkeit und persönliche Beziehungen gelehrt. Gleichzeitig haben wir die Erfahrung gemacht, dass es nicht unbedingt viel braucht, um glücklich zu sein. Vielleicht gelingt uns ein Lebensstil, der gelernt hat, auf das Wesentlich fokussiert zu bleiben, Ablenkung und Unnötiges zu erkennen und zu vermeiden. Dies kann auch zur in Zukunft Grundlage von Gemeindeplanungen werden. Brauchen wir wirklich alle Angebote, die durch die Corona- Krise unterbrochen worden sind? Verwechseln wir manchmal vielleicht soziales mit geistlichem Wachstum? Wie können Gruppen und Kreise aussehen, die geprägt sind von der Gegenwart Gottes im Gebet und Menschen durch das Wirken des Heiligen Geistes und das Wort der Heiligen Schrift verändert? Das Ende des social distancing kann der Anfang eines spiritual bondings werden. Gemeinsam in der Nähe Gottes- das stärkt den Einzelnen und alle seine Beziehungen in Familie und Gesellschaft.

3. Freude an der Über-Gemeinde „O, wie schön ist es, wenn Brüder in Einheit zusammen sind!“ Dieser alte Ausruf aus Psalm 133 könnte zum Schlachtruf einer neuen Generation werden. Wir tun gut daran, alle übergemeindlichen Bemühungen zu feiern, die Jesus in den Mittelpunkt stellen und Menschen zu einem Lebensstil der Nachfolge Christi ermutigen und befähigen. Dorthin hat Gott Segen befohlen (Vers 3).

Vielleicht wird die Kirche der Zukunft nicht aus den schicksten und größten Gebäuden bestehen, in welche die Massen strömen. Vielleicht sind es die vielen kleinen Gruppen, die sich hin und her in den Häusern treffen. Wie früher. Und bestimmt tut Gott dann auch „täglich hinzu“ (Apg. 2). Einheit im Geist ist verbunden mit einem wohlriechenden Aroma (vgl. das Salböl in Aarons Bart, Ps 133). Nach diesem Duft sehne ich mich und dafür bete ich.

Bildnachweis: Photo by Alex wong on Unsplash

6 Antworten auf „Und jetzt? Glauben nach Corona

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  1. Die Kirche muss charismatisch erneuert werden. Heilige Messen sind überflüssig. Spirituelles Heilen und Mystik müssen gefördert werden. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

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    1. Stimmt, das kann ich nicht. Das ist auch nie meine Botschaft. Mir geht es um einen lebendigen Glauben, leidenschaftliche Nachfolge und geistliches Wachstum. Dafür kann ich etwas tun – vergleichbar mit körperlicher Fitness. Glauben ist ebenso ein Muskel, den ich in einem gewissen Maß trainieren kann. Hierbei geht es nicht im um Leistung und schon gar nicht um den Verdienst von Gnade und Barmherzigkeit, sondern um das gute Training der Einübung vergleichbar mit dem Training guter Gewohnheiten. Geschmack entwickelt sich nicht von selbst. Genausowenig der Geschmack an Gott. Hierfür kann ich in meinem Alltag Raum und Zeit schaffen, damit er die Möglichkeit hat, mir zu begegnen.

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